BILDERWELTEN 2020

208 Deutscher Verband für Fotografie e.V. 3. PORTFOLIO-WETTBEWERB 2020 PLATZ 5 Uwe Hantke »Béton brut - Das Corbusierhaus Berlin« Portfolio aus 8 Bildern J a, das Corbusierhaus wirkt bisweilen hart, grau, klobig, brutal, anonym. Man muss wie ich in diesem Haus gelebt haben, um es zu begreifen und zu schätzen. Von außen mag es wie ein unförmiger Kasten mit Farbklecksen wirken. Der von Le Corbusier umgesetzte Stil wird als »Brutalismus« bezeichnet – und dabei häufig falsch interpretiert. Hat doch der Begriff seinen Ursprung im französischen »béton brut« (roher Beton, Sichtbeton), dem von Le Corbusier bevorzugten Werkstoff. 60 Jahre nach der Errichtung des Corbusierhauses Berlin und rund 50 Jahre nach dem Auszug aus diesem Haus zog es mich zunächst eher zufällig hierhin zurück. Aber schon mit dem ersten Schritt auf das Gelände und erst recht in das Haus hinein wurden Erinnerungen aus meiner Kindheit geweckt. Einer Kindheit, die ich zu einem großen Teil in diesem Gebäude verbrachte. Erinnerungen, die schon vergessen schienen. Und so umrundete und durchschritt ich das Haus, zunehmend von diesen Erinnerungen getrieben, mehr und mehr aber mit dem Blick auf die mit dem béton brut vorgenommene Bau- gestaltung. Auf den ersten Blick immer zweckmäßig, fast erschlagend, im nächsten Augenblick aber auch überraschend filigrane und unerwartete Details offenbarend. Häufig auch mit Narben im Betongesicht. Die Fotostrecke wurde bewusst in Schwarzweiß gehalten, um dem im Fokus stehenden Sichtbeton mit diesem Portfolio Rechnung zu tragen. Es kann nicht annähernd die Gesamtheit dieses zur Internationalen Bauausstellung 1957 geplanten und errichteten und inzwischen unter Denkmalschutz stehenden Gebäudes darstellen. Ich entschloss mich daher einige markante Bereiche, beginnend mit der Südfassade auszuwählen. Die Fotostrecke führt den Betrachter weiter von der Südostseite und an den Pylonen vorbei, auf denen der Baukörper gegründet ist, über Treppenhäuser in das Haus. Funktionalität wird hier abgelöst von überraschenden Lichtspielen und »Lichtblicken«, die schließlich an die Nord-Ost-Seite des Corbusierhauses führen, wo die äußerste Wohnung zwischen Himmel und Erde zu schweben scheint.

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